Kreis Wesel. Nach einem Jahr Bürgergeldbezug prüft das Jobcenter nun die Wohnkosten. Das kommt jetzt auf zahlreiche Bezieher im Kreis Wesel zu.

Seit Januar 2023 hat das Bürgergeld Hartz IV abgelöst. Neben höheren Leistungen und veränderten Schwerpunkten gab es eine wichtige Änderung im Bereich Kosten der Unterkunft. Wer auf Bürgergeld angewiesen ist, und im Kreis Wesel waren das Ende März 17.293 Bedarfsgemeinschaften, hat statt zuvor sechs Monaten nunmehr ein Jahr Zeit, bevor das Jobcenter prüft, ob die Wohnung zu teuer ist. Bis zu diesem Zeitpunkt übernimmt es die tatsächlichen Kosten der Unterkunft, gemeint sind Kaltmiete und Nebenkosten ohne Heizung. Diese Frist ist Anfang Januar abgelaufen. Wer also unter den ersten Bürgergeldbeziehern von Januar bis März 2023 war, hat kürzlich möglicherweise Besuch erhalten oder muss sich nun darauf einstellen.

Vieles ist in der Pandemie liegen geblieben

Hinzu kommt: In den Corona-Jahren gab es zwar eine Fristverlängerung für die seinerzeitigen Hartz-IV-Empfänger, die sogenannten Angemessenheitsprüfungen waren wegen der Pandemie aber auch nach Ablauf kaum möglich. „Die Sachbearbeiter hätten die Menschen zu Hause besuchen müssen, das war lange Zeit nicht machbar“, sagt Ina Mertsching, Sprecherin des Jobcenters Kreis Wesel. Auch aus dieser Zeit muss daher noch nicht jeder Haushalt geprüft worden sein, der heute Bürgergeld bezieht, „es hängt von der Belastung der Sachbearbeiter ab“.

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Was gilt als angemessen? Die gültigen gesetzlichen Grenzen werden regelmäßig alle zwei Jahre überdacht. Als Ergebnis daraus gibt es zum 1. Mai neue Maßstäbe für die Unterkunftskosten, sie sind leicht angestiegen und nicht überall gleich: Der Kreis Wesel ist in sieben Vergleichsräume aufgeteilt. So darf beispielsweise die Wohnung plus Nebenkosten für zwei Erwachsene und zwei Kinder dann in Dinslaken und Hünxe 760 Euro kosten, (aktuell noch 734,35 Euro), Moers 757,15 Euro (aktuell 731,50 Euro), in Voerde 704,90 Euro (681,15 Euro), Kamp-Lintfort 737,20 Euro (712,50 Euro), in Neukirchen-Vluyn 746,70 Euro (722 Euro), in Alpen, Rheinberg, Sonsbeck, Xanten 750,50 Euro (725,80 Euro) und in Hamminkeln, Schermbeck, Wesel 703,95 Euro (681,15 Euro). Wer weiß, welche Mieten derzeit aufgerufen werden – und den Mangel an öffentlich gefördertem Wohnraum berücksichtigt – sieht: Das kann schnell sehr eng werden. Auch für Menschen, die allein wohnen, denn kleine, bezahlbare Wohnungen sind rar. Für Singles liegen die Grenzen für die Kosten der Unterkunft im Kreis Wesel zwischen 418 und 459,50 Euro Kaltmiete und Nebenkosten. Die Heizung rechnet das Jobcenter bei den Bürgergeldbeziehern gesondert ab.

Miete zu hoch? Jobcenter will Besonderheiten des Einzelfalls beachten

Jobcenter und Kreis Wesel geben zunächst Entwarnung. „In der Regel liegen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft unterhalb der festgelegten Angemessenheitsgrenzen, sodass hier nichts weiter zu veranlassen ist“, heißt es auf Anfrage. Aber auch, dass man im vergangenen November davon ausgegangen ist, dass kreisweit etwa 850 Bedarfsgemeinschaften, also Menschen, die gemeinsam wirtschaften, von einer möglichen Kostensenkungsaufforderung zum 1. Januar 2024 betroffen gewesen wären. Ob die alle bereits geprüft wurden, ist unklar. Falls ja, müssten sie bis 1. Juni ihre Verhältnisse geändert haben.

Vor Umsetzung einer tatsächlichen Kürzung der Unterkunftskosten auf die Angemessenheitsgrenze besteht die Möglichkeit, neben einem Wohnungswechsel die Unterkunftskosten durch Vermietung bzw. Untervermietung oder auch auf andere Weise zu senken.
Jobcenter Kreis Wesel

Was passiert, wenn die Miete zu hoch ist? Dann werden die Betroffenen dazu aufgefordert, ihre Kosten zu senken, allerdings beachte man dabei die Besonderheiten des Einzelfalls, so das Jobcenter. Wer die Grenzen überschreitet, habe in der Regel sechs Monate die Gelegenheit, eine preiswertere Wohnung zu finden. Es bestehe auch die Möglichkeit, die Kosten durch Vermietung oder Untervermietung zu senken, darüber sollen die Betroffenen informiert werden.

Soweit die Theorie. In der Praxis ist das Thema offenbar nicht oder noch nicht in voller Wucht bei den Wohlfahrtsverbänden angekommen, die in der Regel Ansprechpartner sind, wenn das Geld knapp wird. Andreas Fateh, Kreisgruppengeschäftsführer des Paritätischen und Sprecher der AG Wohlfahrt im Kreis Wesel, hat es bislang nicht auf dem Tisch. Drängend wird es für die ersten Bürgergeldbezieher zum 1. Juni, zumindest dann, wenn sie im geplanten Zeitrahmen geprüft wurden und noch immer zu teure Wohnungen haben. In diesem Fall wären sämtliche Fristen abgelaufen und das Jobcenter würden nur noch bis zur festgesetzten Grenze zahlen. Was darüber liegt, müssten Bezieher aus den Bürgergeldleistungen bestreiten, die eigentlich für den Lebensunterhalt gedacht sind.