Jeanette Spiwoks hat die Olympianorm im Freiwasser auf dramatische Weise verpasst. Durch eine Hintertür möchte sie es jetzt nach Paris schaffen.

Noch lebt die Hoffnung, bei den Olympischen Spielen im Sommer in Paris dabei zu sein. Die Entscheidung steht allerdings unmittelbar bevor. Mit den deutschen Meisterschaften im Schwimmen an diesem Wochenende im Berliner Europa-Sportpark schließt sich das Qualifikationsfenster, dann wissen die Kandidaten, ob sie es gepackt haben oder nicht.

Normalerweise ist Jeannette Spiwoks von der Startgemeinschaft Essen im Freiwasser unterwegs und dort will sie auch in Paris über die zehn Kilometer starten. Das ist das Ziel. Aber für die 25-Jährige ist es zuletzt so verdammt unglücklich gelaufen, dass sie nun diesen Umweg über die Titelkämpfe im Becken nehmen muss. Schafft sie dort die Norm, könnte sie wiederum für den Freiwasser-Wettkampf melden. Zum ersten Mal überhaupt gibt es ein solches Hintertürchen.

Essenerin muss sich deutlich steigern

Über 1500 Meter (Freitag) und 800 Meter (Sonntag) will sie es versuchen. „Aber das ist jetzt eine ganz andere Hausnummer“, weiß die Essenerin. Allein die geforderten Zeiten seien nicht ohne. Spiwoks müsste persönliche Bestzeit schwimmen, um sich den olympischen Traum zu erfüllen – sich dabei gleich um 14 bzw. sechs Sekunden steigern.

Und es gibt ja auch noch die interne Konkurrenz, die am vergangenen Wochenende ein fettes Ausrufezeichen gesetzt hat. Die Magdeburgerin Leonie Märtens unterbot die olympische Richtzeit über 1500 Meter um gut sechs Sekunden und ist damit ganz klar Favoritin im Kampf um den zweiten Startplatz hinter ihrer Clubkollegin Isabel Gose. Diese ist Deutschlands Nummer eins und als WM-Medaillen-Gewinnerin gesetzt. Auch über die 800 Meter, doch die Rangfolge hinter ihr ist völlig offen.

Spiwoks wähnte sich schon in Paris – DSV hatte Richtlinien falsch interpretiert

Die Freiwasser-Weltmeisterschaft Anfang Februar in Doha endeten für Jeannette Spiwoks im Meer der Tränen. Über die zehn Kilometer hatte sie als beste Deutsche einen starken Platz 16 belegt. Olympia-Ticket gelöst, hieß es zunächst. Selbst die Verbandsoffiziellen verkündeten es direkt nach dem Rennen. Zweifel verdrängten jedoch schnell Freude und Erleichterung. Der DSV hatte offenbar einiges falsch interpretiert in den Richtlinien.

22 Frauen werden im August an der Pont Alexandre III in die Seine springen. Die Top Drei der WM 2023 und die ersten 13 Athletinnen bei der WM in Doha haben sich für die Spiele qualifiziert. Gemäß Statuten wird danach aufgestockt, ein Startplatz pro Kontinent, damit für jeden der symbolischen fünf Olympischen Ringe eine Athletin dabei sein kann. Zudem bekommt Gastgeber Frankreich eine Wildcard.

Quotenplätze sind nur für Nationen, die noch keinen Startplatz haben

Als beste Europäerin hinter den Top 13 war Jeannette Spiwoks ins Ziel gekommen. Doch der entscheidende Haken: Die Quotenplätze sind nur für Nationen vorgesehen, die noch keine Olympia-Starterin haben. In Weltmeisterin Leonie Beck (2023) hat Deutschland jedoch schon eine Athletin im Teilnehmerfeld. Somit bitter für Spiwoks: Nicht sie, sondern die Britin Leah Crisp, die hinter ihr auf Rang 17 gelandet war, hat das Ticket bekommen.

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„Das tut natürlich weh“, sagt Nicole Endruschat, Cheftrainerin am Bundesstützpunkt in Essen. „Das ist eine Entscheidung gegen die Leistung.“ Gleichzeitig lobt sie die Moral ihrer Schwimmerin: „Dieser Weg jetzt ist für Jeannette natürlich sehr viel schwerer. Aber sie hat die Enttäuschung ganz professional abgeschüttelt und immer nach vorn geblickt. Sie will nicht aufgeben, bevor sie nicht alles versucht hat.“

Cedric Büssing hat die Olympia-Norm geknackt

Einen Athleten wird die SG Essen wohl sicher nach Paris schicken. Beim Meeting in Eindhoven unterbot Cedric Büssing, der seit drei Jahren in den USA trainiert, über 400m Lagen die Olympia-Norm um 1,7 Zehntelsekunden. „Ich habe es erst gar nicht glauben können“, meinte Büssing, der seine Bestzeit um mehr als zwei Sekunden steigerte. „Aber ich habe so hart gearbeitet wie nie zuvor. Und es hat sich ausgezahlt.“

Ganz nah dran an den Olympischen Spielen: Der Essener Cedric Büssing.
Ganz nah dran an den Olympischen Spielen: Der Essener Cedric Büssing. © dpa | Andreas Gora

Die DM in Berlin wird auch ihm Gewissheit verschaffen. Dass dort am Donnerstag gleich zwei Konkurrenten schneller sein könnten als der Essener, gilt mit Blick auf die Meldeliste als wenig wahrscheinlich.