Kreis Wesel/Xanten/Alpen. Nach dem Fund des toten Seeadlers von der Bislicher Insel liegt nun der Untersuchungsbericht zur Todesursache vor. Welche Erkenntnisse er bringt.

  • Auf der Bislicher Insel zwischen Wesel und Xanten leben seit einigen Jahren die streng geschützten Seeadler.
  • Kurz vor Ostern wurde das männliche Tier tot aufgefunden, das schon geschlüpfte Küken konnte gerettet werden.
  • Nun liegt der Untersuchungsbericht zum Tod des Seeadlers vor.

Vor rund anderthalb Wochen ist in der Nähe der Bislicher Insel ein männlicher Seeadler tot aufgefunden worden. Weil die Todesursache zunächst unklar war, wurde der streng geschützte Vogel von Experten untersucht. Wie der Kreis Wesel, der die Untersuchung als Untere Naturschutzbehörde veranlasst hatte, am Freitag mitteilte, liegt der entsprechende Bericht nun vor. Demnach ist nicht ganz eindeutig, woran das Tier gestorben ist. Es wurden allerdings keine Schussverletzungen, Knochenbrüche oder Vergiftungsmerkmale festgestellt. „Es ist davon auszugehen, dass die Verletzungen, die letztlich zum Tod geführt haben, bei einem Kampf mit einem anderen Großvogel entstanden sind“, so Kreissprecherin Greta Rohde gegenüber der NRZ.

Die Vermutung, dass menschlicher Einfluss für den Tod des Seeadlers verantwortlich war, hat sich damit nicht bestätigt. Das Schicksal des Tieres hatte viele Menschen bewegt. Das Männchen hatte sich erst im vergangenen Herbst auf der Bislicher Insel zwischen Xanten und Wesel ansiedelt, wo bereits länger ein Weibchen lebt. Wie der Regionalverband Ruhr (RVR), der für das Naturschutzgebiet Bislicher Insel zuständig ist, auf Anfrage der Redaktion bestätigte, wurde der streng geschützte männliche Vogel am Dienstag vor Ostern (26. März) auf einem Feld in der Nähe von Alpen tot aufgefunden.

RVR-Experten retteten Seeadler-Küken und ein Ei

Auf die Tragödie folgte eine dramatische Rettungsaktion. Denn der männliche Seeadler hatte mit seiner Partnerin bereits Nachwuchs gezeugt. Die Experten glauben, dass sich das überlebende Weibchen nicht alleine um die Brut kümmern kann, da die Jungen auskühlen würden, wenn ihre Mutter auf Futtersuche geht. Deswegen machten sich die Naturschützer auf zum Horst der Tiere und gelangten mit einer Leiter dorthin. Wie der RVR berichtete, wurden daraus ein lebendes Küken und ein Ei geborgen, die anschließend in die Greifvogelstation gebracht wurden.

„Klar war, wenn wir nichts machen, wird die Brut nicht überleben“, sagte Dirk Bieker, der beim RVR für Naturschutz zuständig ist, über die Rettungsaktion am Vortag. „Wir haben entschieden, in den Horst zu gehen. Wir konnten nichts mehr falsch machen.“ Normalerweise sind die Fachleute sehr zurückhaltend, wenn es um Eingriffe in die Natur geht. Zwei Kletterer seien aufgestiegen und hätten ein Ei und ein bereits geschlüpftes Küken herausgeholt. Während der Aktion kreiste das Adler-Weibchen in der Luft.

Das Seeadler-Küken wird in der Greifvogelauffangstation in Wesel wieder aufgepäppelt. Es besteht allerdings weiterhin Lebensgefahr. 
Das Seeadler-Küken wird in der Greifvogelauffangstation in Wesel wieder aufgepäppelt. Es besteht allerdings weiterhin Lebensgefahr.  © Nabu | Peter Malzbender

Das Junge ist anschließend in die Greifvogelauffangstation des Nabu nach Wesel gebracht worden und wird dort von den Fachleuten aufgepäppelt. Wie der Nabu-Vorsitzende und Mitleiter der Greifvogelstation, Peter Malzbender, berichtete, geht es dem Küken von Tag zu Tag besser. „Der frisst wie ein Scheunendrescher und wiegt jetzt 415 Gramm, als er in die Station kam, wo er gerade mal 81 Gramm“, sagte der Vogelexperte am Freitag.

Die Experten der Vogelstation tun alles dafür, damit sich das Küken nicht an Menschen gewöhnt: So wird es beispielsweise mit einer Adler-Handpuppe gefüttert und die Fachleute betreten den Raum, wo er untergebracht ist, ausschließlich in Vermummung. „Der sieht von uns Menschen gar nichts“, so Malzbender. Der Vogel soll zu einem Seeadler-Horst in Schleswig-Holstein oder Niedersachsen gebracht werden, wenn er etwa drei Wochen alt ist. Derzeit suchen die zuständigen Umweltschützer dort einen geeigneten Standort. Aus dem ebenfalls geretteten Ei ist kein Küken mehr geschlüpft.

Seeadler von der Bislicher Insel bewegte sich plötzlich nicht mehr

Dass etwas mit dem Seeadler-Vater nicht stimmte, war zuvor Forschern aus den Niederlanden aufgefallen. Denn der Vogel entstammt einem Projekt aus dem Nachbarland, bei dem im Jahr 2020 mehrere junge Seeadler mit Sendern ausgestattet wurden. Niederländische Naturschützer, die sich um die Seeadlerpopulation kümmern, sammeln die Daten, die der Vogel per GPS sendet. Das Tier war beringt und trug einen Sender auf dem Rücken, ungefähr so groß wie eine Zigarettenschachtel.

In den Daten, die öffentlich einsehbar sind unter portal.werkgroepzeearend.nl/, lässt sich nachvollziehen, wo sich der Seeadler in den vergangenen Tagen aufgehalten hat. Neben Flügen über Wesel, Rees und Xanten, ist dort auch ein Gebiet in der Nähe von Alpen erkennbar. Offenbar handelt es sich um den Fundort des Kadavers, denn anschließend sind keine weiteren Aufenthaltsorte mehr auf der Karte verzeichnet.

Bislicher Insel: Die Seeadler sind zu echten Stars geworden

Dass die Mitarbeiter des RVR-Naturforum Bislicher Insel überhaupt auf den Notfall aufmerksam wurden, ist dieser grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu verdanken. Weil das Ortungssignal länger auf der Stelle verharrte und der Vogel sich offensichtlich nicht mehr vom Fleck bewegte, schlugen die niederländischen Naturschützer dann Alarm und informierten den Regionalverband. Die Experten des RVR, der das Naturforum auf der Bislicher Insel betreibt, machten sich sofort auf den Weg und begannen mit einer Suchaktion. Sie fanden das tote Tier schließlich auf dem Acker im Gemeindegebiet von Alpen, wie Pressesprecher Jens Hapke gegenüber der Redaktion berichtete.

25 Impressionen der Adler von der Bislicher Insel

Der Seeadler hat Beute gemacht und stärkt sich am Ufer eines Gewässers.
Der Seeadler hat Beute gemacht und stärkt sich am Ufer eines Gewässers. © NRZ | Johannes Kruck
Knapp über dem Wasserspiegel kommt der stolze Adler angeflogen.
Knapp über dem Wasserspiegel kommt der stolze Adler angeflogen. © Wesel | Johannes Kruck
Zufälliger Schnappschuss: Eine Möwe fliegt genau über den Adler.
Zufälliger Schnappschuss: Eine Möwe fliegt genau über den Adler. © NRZ | Johannes Kruck
Ein Seeadler im Anflug. Für solche Fotos reisen Fotografen hunderte Kilometer bis zur Bislicher Insel.
Ein Seeadler im Anflug. Für solche Fotos reisen Fotografen hunderte Kilometer bis zur Bislicher Insel. © NRZ | Johannes Kruck
In der Dämmerung macht sich der König der Lüfte auf den Weg zu seinem Schlafplatz.
In der Dämmerung macht sich der König der Lüfte auf den Weg zu seinem Schlafplatz. © NRZ | Johannes Kruck
Von der dritten Beobachtungshütte lassen die Adler öfter aus betrachten.
Von der dritten Beobachtungshütte lassen die Adler öfter aus betrachten. © NRZ | Johannes Kruck
Ein Jungvogel versucht einen Fisch zu fangem.
Ein Jungvogel versucht einen Fisch zu fangem. © NRZ | Johannes Kruck
Die imposante Größe des Seeadlers ist auf diesem Bild mit den Kibitzen und Enten gut zu erahnen.
Die imposante Größe des Seeadlers ist auf diesem Bild mit den Kibitzen und Enten gut zu erahnen. © NRZ | Johannes Kruck
Abflug zum Ufer über eine Gruppe Enten hinweg.
Abflug zum Ufer über eine Gruppe Enten hinweg. © NRZ | Johannes Kruck
Ein Seeadler im Landeanflug auf einen Ast.
Ein Seeadler im Landeanflug auf einen Ast. © NRZ | Johannes Kruck
Zwei der Adler sitzen in einem der alten Bäume.
Zwei der Adler sitzen in einem der alten Bäume. © NRZ | Johannes Kruck
Seeadler erreichen eine Flügelspannweite von mehr als 2 Metern.
Seeadler erreichen eine Flügelspannweite von mehr als 2 Metern. © NRZ | Johannes Kruck
Windräder gelten als Gefahr für die Adler.
Windräder gelten als Gefahr für die Adler. © NRZ | Johannes Kruck
Der Seeadler nimmt den anfliegenden Milan in den Blick.
Der Seeadler nimmt den anfliegenden Milan in den Blick. © NRZ | Johannes Kruck
Kommen dem Adler andere Greifvögel zu nah, nimmt er eine Drohgebärde ein.
Kommen dem Adler andere Greifvögel zu nah, nimmt er eine Drohgebärde ein. © NRZ | Johannes Kruck
Ein Milan wagt sich nach an den Adler heran.
Ein Milan wagt sich nach an den Adler heran. © NRZ | Johannes Kruck
Die Landung wirkt manchmal etwas schwierig.
Die Landung wirkt manchmal etwas schwierig. © Wesel | Johannes Kruck
Hier überquert einer der Adler den Eyländer Weg bei Perrich.
Hier überquert einer der Adler den Eyländer Weg bei Perrich. © NRZ | Johannes Kruckj
Auf geht‘s zum morgendlichen Beutefang.
Auf geht‘s zum morgendlichen Beutefang. © NRZ | Johannes Kruckj
Adler durchaus schonmal stundenlang auf einem Ast sitzen.
Adler durchaus schonmal stundenlang auf einem Ast sitzen. © NRZ | Johannes Kruck
Auf dem Weg zum Adlerhorst
Auf dem Weg zum Adlerhorst © NRZ | Johannes Kruck
Wenn ein Adler im Anflug ist, flüchten die meisten anderen Vögel. 
Wenn ein Adler im Anflug ist, flüchten die meisten anderen Vögel.  © NRZ | Johannes Kruck
Immer ein waches Auge auf die Umgebung
Immer ein waches Auge auf die Umgebung © NRZ | Johannes Kruck
Hier ist der Sender auf dem Rücken des neuen Männchens gut zu erlennen.
Hier ist der Sender auf dem Rücken des neuen Männchens gut zu erlennen. © NRZ | Johannes Kruck
Wer fotografiert mich denn da?
Wer fotografiert mich denn da? © NRZ | Johannes Kruck
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Seeadler brüten seit einigen Jahren im Vogelschutzgebiet Bislicher Insel am Niederrhein. Im Kreis Wesel gibt es mittlerweile mindestens ein weiteres Brutpaar, der Standort ist allerdings geheim. Dass die riesigen Raubvögel, die eine Flügelspannweite von bis zu 2,40 Meter haben, sich dort angesiedelt haben, ist ungewöhnlich. Wo das Nest liegt, wird geheim gehalten. Bei den Elterntieren gibt es immer wieder Wechsel. Seeadler kommen vor allem in Norddeutschland vor. Zur Nahrungssuche benötigen die Tiere Küsten, große Seen oder Flüsse in der Nähe.

Die Seeadler auf der Bislicher Insel sind in den Jahren zu regelrechten Stars des Naturschutzgebietes geworden, viele Menschen kommen dorthin, um die Tiere zu beobachten und Fotos von ihnen zu machen. Im vergangenen Jahr waren zwei Jungtiere geschlüpft, doch das männliche Tier verschwand plötzlich – niemand weiß, ob es sich ein anderes Revier gesucht hat oder gestorben ist. Was dem Tier widerfahren ist, bleibt bis heute unklar. Dann tauchte der neue Adler auf, erneut gelang eine Brut – alles sah gut aus, bis zum Fund des Kadavers am Dienstag.