10.000 Schritte – die sollte man täglich bewältigen. Mindestens. Unsere Autorin tut sich mit solchen Anforderungen allerdings ein bisschen schwer.

Die Handy-App macht Druck. Wieder mal. Es ist diese Kachel mit dem sympathischen Herz drauf, von der ich anfangs dachte, dass sich hinter ihr womöglich eine Partnervermittlung verbergen würde, weshalb ich sie jahrelang ignoriert habe. Romantische Vermittlungen benötige ich nämlich nicht, zum Glück. Wäre ich etwas aufmerksamer gewesen, hätte ich natürlich das nüchterne Wörtchen „Health“ (Gesundheit) gesehen, das die App unterlegt. „Health“ steht natürlich nicht für leidenschaftlich pochende Herzen, sondern fürs Herz-Kreislauf-System. Und das will nicht umschmeichelt, sondern gefordert werden. Irgendwann öffnete ich die App. Seither bin ich abhängig.

16.30 Uhr.

Schritte: 3855

Treppensteigen: 4 Stockwerke

Gehtempo: 5,6 km/h

Nun weiß ja jeder halbwegs fitte Mensch, dass man unter 10.000 Schritten gar keinen Gedanken an das Thema Gesundheit verschwenden muss. Kann man ja überall nachlesen, ob man will oder nicht. 10.000 Schritte sind die Mindestanforderung. Täglich. Für einen Handwerker auf der Walz mag das ja eine nahezu lächerliche Zahl sein (obwohl: Wie viele Gesellen gehen heute noch auf Wanderschaft?).

Aber für Menschen in überwiegend sitzenden Berufen (wozu eben auch meist Redakteurinnen und Redakteure gehören) ist das eine echte „challenge“.

Und es stellen sich natürlich Fragen: Wie schafft man es, zwischen halb fünf und Mitternacht die fehlenden 6145 Schritte zu bewältigen, wenn dazwischen noch zwei Stunden Sitzarbeit, Abendessen und der 20.15-Uhr-Krimi liegen?

Und zählt das Laufen auf der Stelle eigentlich genauso viel wie das forsche Abgehen eines Waldwegs oder der Straßen im Wohnviertel? Denn mit „Auf der Stelle laufen“ vor dem Fernseher könnte ich womöglich noch den einen oder anderen Tausender an Schritten gutmachen, je nach Länge der Ermittlungen der TV-Kommissare. Oder wäre es angeraten, um der eigenen Gesundheit willen, dann um 16.30 Uhr sofort alles stehen und liegen zu lassen und rasch 6000 Schritte um den Block zu gehen? Würde sich mein Arbeitgeber dieser Priorisierung anschließen?

Lieber Treppen steigen als laufen

Oder gäbe es eine Alternative? Denn die nächste Frage ist: Gleicht das Erklimmen zusätzlicher Stockwerke den Mangel an Schritten womöglich aus?

Ich könnte der App nämlich einen Tausch anbieten: Ich laufe 400 Treppenstufen, kriege dafür aber 4000 Schritte gutgeschrieben. Treppenlaufen geht nämlich schneller. Ist meine Theorie. In der Praxis finden sich nämlich massenhaft Stufen in der Nähe. Unser Office hat unzählige davon, an einem Tag im Homeoffice könnte ich alternativ die 22 Stufen vorm Haus auf und ab rennen. Sollte ich dann aber besser die Nachbarn vorwarnen oder mir eine halbwegs vernünftige Erklärung zurechtlegen, falls jemand fürchtete, ich litte an einem Hang zu zwanghaftem Verhalten?

Zum Glück droht die App ja nicht mit Sanktionen, wenn ich die selbstgesteckten Ziele nicht schaffe, sie dokumentiert einfach nur den Status quo. Was ich aus dem folgere? Meine Sache!

Außerdem gibt es eine kreative Lösung: Ich rege mich über die fehlenden 6145 Schritte einfach nicht weiter auf, sondern schiebe sie gedanklich auf den nächsten Tag. Morgen habe ich frei. Da könnte ich es zeitlich schaffen, 10.000 plus 6145 Schritte zu laufen. Theoretisch zumindest.